Auf dem Weg zum bevölkerungsreichsten Land der Welt?
Mit einer Landesfläche von rund 3,3 Millionen Quadratkilometern ist Indien das siebtgrößte Land der Welt. Die Bevölkerung von Indien beträgt 2022 geschätzt circa 1,41 Milliarden Menschen. Indien steht auf Rang zwei der Länder mit der größten Bevölkerung, nur China hat mit rund 1,42 Milliarden eine noch höhere Einwohnerzahl. Allgemein war lange Zeit davon auszugehen, dass Indien China in den kommenden Jahren als Land mit der höchsten Bevölkerungszahl ablösen wird, da Indien im Vergleich zu China in der jüngeren Vergangenheit ein deutlich stärkeres Bevölkerungswachstum besaß. 2022 konnte Indien ein Bevölkerungswachstum von 0,7 Prozent verzeichnen, während sich Chinas Wachstum zum selben Zeitpunkt auf rund -0,01 Prozent belief. In den folgenden Jahren soll Chinas Bevölkerungswachstum weiter zurückgehen. Daher ist zu erwarten, dass Indien China bereits im Jahr 2023 als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen wird. Im Vergleich der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer hat Indiens Bevölkerung mit 27,9 Jahren das geringste Durchschnittsalter. Die Lebenserwartung ist trotz merklicher Anstiege in den letzten Jahren mit rund 67,7 Jahren in 2022 noch relativ niedrig, ebenso der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung mit rund 6,9 Prozent (2022). Die bevölkerungsreichste Stadt in Indien ist mit 32,1 Millionen Menschen Delhi, die gleichzeitig die zweitgrößte Stadt weltweit darstellt. Auch die indischen Städte Mumbai und Kalkutta finden sich unter den 20 bevölkerungsreichsten Städten wieder.Indiens Konjunktur und Wirtschaftswachstum
Indien zählt zur Gruppe der wichtigsten aufstrebenden Schwellenländer, den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China). Mit einem prognostizierten Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 3,2 Billionen US-Dollar für 2021 belegt das Land Rang sechs der größten Volkswirtschaften der Welt und hat damit Frankreich und Italien hinter sich gelassen. Nachdem das Land über viele Jahre hohe Wachstumsraten bis zu 10 Prozent verzeichnen konnte, stürzte das Wirtschaftswachstum in Indien im Corona-Jahr 2021 auf rund -6,6 Prozent ab. Im Jahr 2021 wurde ein Wachstum von rund 8,7 Prozent verzeichnet. Für 2022 wird ein etwas geringeres Wachstum von circa 6,7 Prozent erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hat sich zwar seit 2008 fast verdoppelt, liegt aber mit geschätzten 2.279 US-Dollar je Einwohner (2021) weit unter dem Niveau anderer Industrie- und Schwellenländer. Die Arbeitslosenquote in Indien belief sich 2021 geschätzt auf rund 7,7 Prozent, für das Jahr 2022 ist die Prognose 7,3 Prozent. In Betrachtung der letzten zehn Jahre lag die Inflationsrate in Indien im Jahr 2014 unter 9 Prozent. Die Teuerungsrate betrug 2021 rund 5,5 Prozent und wird sich Prognosen zufolge im Jahr 2022 auf 6,9 Prozent bewegen.Indien hat eine der größten Diaspora weltweit. Der Anteil der Rücküberweisungen (inflow) von Inder:innen im Ausland nach Indien hat im Jahr 2021 rund 2,8 Prozent des BIPs von Indien betragen. Die Rücküberweisungen (outflow) von Migrant:innen in Indien in ihre Herkunftsländer betrug im selben Jahr rund 8,2 Milliarden US-Dollar.
Langjähriges Defizit im Außenhandel
Im Jahr 2021 exportierte Indien Waren im Wert von rund 395,4 Milliarden US-Dollar und importierte Güter für rund 572,5 Milliarden US-Dollar. Indien bewegt sich damit im Jahr 2021 auf Rang 18 der 20 wichtigsten Exportländern und gehört zu den 15 größten Importnationen (Rang 10). Das Defizit in der Handelsbilanz erreichte im Jahr 2012 den Höchststand (192,9 Milliarden US-Dollar). Eine positive Handelsbilanz konnte Indien auch in den Folgejahren nicht erzielen, eine Reduzierung des Defizits gelang jedoch in manchen Jahren. 2021 übertrafen die Importe die Exporte um rund 177 Milliarden US-Dollar. Dies ist das drittgrößte Handelsbilanzdefizit weltweit. Die wichtigsten Handelspartner Indiens im Export sind die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate und China. Im Import ist insbesondere China der derzeit bedeutendsten Handelspartner von Indien, aber auch hier fällt den USA und den Vereinigten Arabischen Emirate eine Bedeutung zu.Die wichtigsten Exportgüter Indiens im Jahr 2021 sind Erdöl und Erdölerzeugnisse (SITC 33), die rund 14,1 Prozent der Exporte ausmachen. Waren aus nicht-metallischen mineralischen Stoffen sowie Eisen und Stahl sind die nächstwichtigen Produkte. Erdöl und Erdölerzeugnisse sind mit einem Anteil von etwa 21,15 Prozent an den Gesamtimporten auch die wichtigsten Importgüter Indiens im Jahr 2021. Gold und elektrische Maschinen sind die nächstwichtigen Importgüter.
Staatsfinanzen und Rechtsstaat
Indiens Staatsschuldenquote lag im Jahr 2021 bei circa 84,2 Prozent. Für 2022 wird eine Staatsverschuldung von 83,4 Prozent erwartet. Im Haushaltssaldo verzeichnete Indien seit über 30 Jahren lediglich Defizite erwirtschaftet. Die Defizitquote lag 2021 bei rund 10 Prozent des BIP und 2022 wird eine Defizitquote von rund neun Prozent des BIP erwartet.Ein relativ großer Teil des Haushalts sind Militärausgaben. Diese betrugen im Jahr 2021 rund 2,7 Prozent des BIP. In Zahlen waren dies etwa 76,6 Milliarden US-Dollar. Damit hat Indien die höchsten Militärausgaben weltweit nach den USA und China. Indien ist eine der wenigen Atommächte weltweit. Im Januar 2022 besitzt Indien rund 160 nukleare Sprengköpfe, was ungefähr die Menge ist, die Indiens Nachbarland Pakistan besitzt.
Zwar ist Indien die größte Demokratie weltweit, das südasiatische Land kämpft jedoch mit Problemen im Rechtsstaat. Im Korruptionsindex belegt Indien Rang 85 von 180 untersuchten Staaten. Im Index der fragilen Staaten belegt Indien das obere Mittelfeld mit einer Platzierung von 69 von 179 untersuchten Staaten. Im jährlichen Freiheitsindex zeigt sich ein differenziertes Bild. Bei der Dimension "Politische Rechte" erhält Indien 33 von 40 möglichen Punkte. Das ist niedriger als bei westlichen Industriestaaten, aber dennoch ein guter Wert. Bei den "Bürgerlichen Rechten" erhält Indien jedoch lediglich 33 von 60 möglichen Punkten. Besonders in den vergangenen Jahren ist Indiens Demokratie und Rechtsstaat unter Druck. Seit 2014 regiert der hindu-nationalistische Politiker Narendra Modi. Unter anderem wurden muslimische Flüchtlinge von einer Reform ausgelassen, die religiös verfolgten einen schnelleren Weg zum Asyl in Indien ermöglicht. Ein großes Problem ist zudem die wachsende Ungleichheit und Unterbeschäftigung in Indien, die oft zu Lasten von ethnischen Minderheiten geht. Der Bertelsmann Transformationsindex (BTI) zeigt Aspekte der Entwicklung. Im Jahr 2010 stand Indien im Demokratieindex noch bei 8,2 Punkten und war damit eine sich konsolidierende Demokratie. Bis 2022 stürzte der Index auf 6,3 Punkte ab. Damit ist Indien im Jahr 2022 nur noch eine defekte Demokratie und dazu nahe an der Grenze zu einer stark defekten Demokratie. Auch die Indexe für Marktwirtschaft und politisches Management sanken in den vergangenen Jahren, auch wenn die negative Entwicklung nicht so stark ist, wie beim Demokratieindex.